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Prof. Dr. Mustermann

Die Abschlussarbeit von jemand anderem schreiben lassen? Kein Problem. Der Betrug fällt den Hochschulen kaum auf

Wäre es mit rechten Dingen zugegangen, hätte Martin H. (Name geändert) heute zwei Doktortitel, drei bestandene Staatsexamen und fünf Diplome vorzuweisen. Doch er schrieb die Arbeiten nicht für sich selbst, sondern im Namen anderer. Als akademischer Ghostwriter. Gerade durch prominente Plagiatsfälle wie den von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erlangte dieser Geschäftszweig größere Bekanntheit. Manch einem wurde erst dadurch bewusst, dass es so etwas überhaupt gibt. Inzwischen werben Agenturen wie Acad Write auf Facebook für ihre Dienste und haben dort Zehntausende „Gefällt mir“-Angaben.

Bei Martin H. war das noch anders: „Angefangen hat das im Bekanntenkreis, später dann über Weiterempfehlungen“, erzählt er. Allesamt waren sie mit der Zeitplanung überfordert, hatten nie wirklich gelernt, wissenschaftlich zu arbeiten und zu formulieren. „Ich habe mir dann die Fachliteratur besorgt und bin auch zu den Vorlesungen der betreuenden Professoren gegangen. Schließlich ist mir das immer schon leichtgefallen, und so habe ich auch noch mehr über die unterschiedlichen Gebiete gelernt.“

Die Universitäten sind so gut wie machtlos: „Ghostwriting im wissenschaftlichen Kontext ist sehr schwer zu entdecken“, sagt Michael Seadle von der Humboldt-Universität (HU) in Berlin. Er ist Vorsitzender der Kommission für wissenschaftliches Fehlverhalten. „Systeme zur Erkennung von Plagiaten helfen in der Regel nicht, weil die Texte nicht kopiert, sondern original sind. Normalerweise muss der Professor Stil- oder Tonfalländerungen erkennen oder außergewöhnlichen Inhalt bemerken, um Grund für Verdacht zu haben, und ein Verdacht in solchen Fällen ist schwer zu bestätigen.“

Auf den ersten Blick wirken die Websites seriös. Sie versprechen: „Geben Sie sich nicht mit mittelmäßigen Studienleistungen zufrieden. Seien Sie erstklassig!“ Bei einer Promotion muss man von einem fünfstelligen Betrag ausgehen. Eine Bachelorarbeit kostet etwa 2500 bis 4500 Euro. Um die 600 Anfragen gibt es im Monat. Bei Acad Write sind Seminararbeiten am gefragtesten (26 Prozent); jede fünfte ist eine Masterarbeit, Bachelorarbeiten machen 15 Prozent aus. Immerhin vier Prozent der Kunden bestellen eine Dissertation.

Dabei verharmlosen die Agenturen das Ghostwriting, stellen es als ganz normal dar: Schon in der Antike hätte es Redenschreiber gegeben, und Politiker würden das doch auch machen. Dann folgt eine Liste mit prominenten Namen. Die Agenturen sichern sich mit folgendem Kniff ab: Die fertigen Arbeiten seien nur eine Vorlage und nicht zur Veröffentlichung gedacht. Dabei ist ihnen aber auch bewusst, dass niemand, der eine fertige Lösung für seine Aufgabenstellung hat, diese nicht auch abgibt.

Strafbar machen sich die Studenten, die an die Arbeit eine eidesstattliche Selbstständigkeitserklärung anfügen. Der Deutsche Hochschulverband fordert seit 2012 einen Straftatbestand „Wissenschaftsbetrug“, um auch gegen Ghostwriting vorgehen zu können. Bisher ohne Erfolg. Dabei kann es sogar Fälle geben, in denen eine Arbeit mehrmals in Deutschland abgegeben wird. Auffallen würde es nicht, wie HU-Professor Michael Kämper-van den Boogaart sagt: „Ob eine letztlich identische Aufgabenstellung bereits in Studiengängen anderer Hochschulen bearbeitet worden ist, kann angesichts der Vielzahl Studierender und natürlich auch von Hochschulen nicht systematisch überprüft werden.“

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